
Kurzgeschichten
Tiefenentspannt
Neugierig schaue ich mich um und suche mit allem was ich habe nach Eindrücken. Dabei sehe ich vor allem müde, aber auch gleichzeitig zufriedene Gesichter, wenn ich mit meinem beobachtenden Blick durch die Menschenmengen schaue. Lächelnde Eltern, die ohne schlechtes Gewissen ihren Kindern etwas Teures zum Spielen kaufen oder aber auch Arbeitnehmer, die mit entspannten Gesichtszügen in die Pedale treten und sich auf den Heimweg machen.
Selbst an den Haltestellen ist es ruhig und wenig aufgeheizt, während die Menschen ein und aussteigen.
Keiner der Radfahrer beschwert sich darüber, dass der Autofahrer der sie kreuzt, einfach weiter fährt. Tiefenentspanntheit prägt das Stadtbild. Nur in den großen, leuchtenden Zimmern der alten Häuser regt sich ab und zu Widerstand in den Menschen, während andere ihnen etwas am Telefon erzählen.
Flucht aus dem Alltag
Es war gerade die Goldene Stunde angebrochen, als ich zu Fuß durch die endlosen Wiesen neben meinem Haus unterwegs war. Begleitet von raschelnden und knackenden Geräuschen bahnte ich mir meinen Weg durch einen Mix aus Grashalmen, Mohnblumen und Gänseblümchen. Mit jedem Schritt lief ich noch ein bisschen tiefer in die Landschaft hinein, und noch ein bisschen näher an die Sonne heran, die mir ins Gesicht schien. Immerhin hatte ich daran gedacht eine Sonnenbrille aufzusetzen, sodass sich der Zustand halbwegs ertragen ließ. Auch Sonnencreme hatte ich mir auf die Haut geschmiert, konnte allerdings nicht daran glauben, dass dieses Wundermittel aus dem Kosmetikregal, mich dieses Mal vor einem Sonnenbrand schützen würde.
Zu sehr schien die Sonne auf meinen Körper, zu stark blendete sie mich trotz Sonnenbrille, wenn ich den Hügel, auf den ich zulief, hochging.
Mein Blick galt jetzt nur dem Baum, der oben auf dem Hügel stand und voller grüner Blätter war. Ich kam immer wieder gerne hierher, einfach weil der Blick von oben beeindruckend war und auch, weil ich mich hier entspannen konnte, ohne durch laute Geräusche oder hilfsbedürftige Nachbarn gestört zu werden. Wie immer legte ich mich erstmal auf den Rücken, als ich außer Atem, oben ankam. Ärgerlicherweise stand auch diesmal die Sonne genau über mir und der Baum spendete keinen Schatten, so dass ich die Augen verschließen und die Arme vor ihr verschränken musste. Ich lag da, genoss die Stille und das Zeitlose vor sich hin liegen. Ich blockierte ich jeden Gedanken an morgen und dachte nur über diesen Moment nach und wie schön er war.
Macht der Natur
Ohrenbetäubend laut pfeifen die Winde, als ich beginne den Gletscher zu betreten.
Wie ein Konzert gegen die Entdeckung durch den Menschen, wie ein Zeichen gegen den Einfluss durch andere.
Mit jedem weiteren Schritt kommen immer mehr Kanten und Formen zum Vorschein, die wie ein Symbol für die jahrhundertlange Erfahrung dieses Naturphänomens wirken und im Schein der Mittagssonne ihre ganze Macht auf den Menschen entfalten. Nur wenige haben sich zu dieser Zeit bisher hierher getraut. Zu gigantisch türmt sich der Gletscher zu dieser Tageszeit vor einem empor.
Wütende Stürme und Wellen haben in hunderten von Jahren aus jedem Millimeter dieser Gestalt etwas Einzigartiges geschaffen.
Glänzend wie ein Edelstein
Glänzend wie ein Edelstein lag der flache See vor mir. Wie eine etwas zu groß geratene Pfütze, auf dessen Wasseroberfläche sich im Schein des Sonnenlichts Hell und Dunkel abwechselten.
Die Magie, die von diesem Schauspiel ausging, umschlang mich wie eine Schlange und ließ mich wie angewurzelt stehen bleiben.
Minuten verstrichen, in denen ich einfach nur dastand und auf das Wasser schaute.
Immer wieder sah ich, wie die Sonnenstrahlen auf Wasserteilchen trafen und diese zum Leuchten brachten.
Wie, als wenn sich dieser flache See in ein riesiges Lichtermeer verwandeln würde.
Langsam, aber gleichmäßig begann der Alltag mich wieder einzuholen. Die Informationen, wo und warum ich hier stand, strömten wieder in meinen Kopf.
Eingenebelt
Gleichmäßig, wie eine Melodie, stießen die Steine aufeinander, als ich mich auf dem Weg zum Nachbarort machte. Hin und wieder begannen auch die Blätter, die meinen Pfad säumten, durch das Sonnenlicht zu glänzen.
Je länger ich lief, desto mehr wurde mir klar, wie schwer es noch werden würde. Mit jedem einzelnen Meter wurde der feuchte Nebel dichter, sogar so dicht, dass ich gar nicht mehr nach vorne schauen brauchte. Die Sicht war so eingeschränkt, dass ich meine Hände fast nicht mehr sah, wenn ich sie vor mein Gesicht hielt.
Panik stieg in mir auf, mir fiel es immer schwerer die Orientierung zu behalten.
Ich fühlte mich immer mehr, als wäre ich eingesperrt in den kalten und nebligen Gittern der Natur. Als wäre ich plötzlich alleingelassen und gefangen genommen worden. In einer Welt in der ich nichts kannte, hörte und sehen konnte. Es schien mir fast so, als hätte der Nebel die Worte im Keim erstickt. Es war wie in einem schallgeschützten Bereich zu laufen, der von der restlichen Welt abgekoppelt ist. Ich begann, ohne es zu wollen, immer mehr über meine Zukunft nachzudenken.
Ab und zu hörte ich sogar meinen Körper “Ich will nicht mehr” sagen. Doch noch war der Glaube stärker, als der Pessimismus. Noch blieb ich nicht stehen, sondern ging weiter. Immer weiter durch den dichten Nebel, der mich zunehmend einsam machte.
Langsam kraxelten in mir Erinnerungen hoch. Überlegungen, Spekulationen. Ich fragte mich etwa, wieviel Uhr es gerade ist. Das einzige was ich wusste, war, dass ich nachmittags losgegangen war. Ich begann darüber nachzudenken, was passieren würde, wenn es Nacht werden würde. Würde sich etwas verändern?
Dunkle Leere
Dunkle Leere füllt den kalten versteinerten Kopf, der wie Eiszapfen schmelzend auf dem Holz vergangener Tage liegt, das nirgendwo sonst einen Platz gefunden hat, außer hier zwischen winterlich rot -grünen Kugeln, die ein paar Monate zu früh den Esstisch zierten, als das Laub noch bunt und farbenfroh die öffentlichen Wege bedeckte und hinter Millionen von Bildschirmen wanderte, die die eigentliche Schönheit nie zur Kenntnis nahmen und dokumentarisches Hilfsmittel von vollgeplanten Menschen wurden, die weniger ins Detail und in die Tiefe gehen, als eine in das Wasser tauchende Hand, die nur bis zur Hälfte die Feuchtigkeit beginnt zu spüren, welche sanft die Haut hinaufklettert, wie langsam zurückkehrende Wärme, die dann die Wertschätzung für Lebendigkeit auf ein so hohes Level hebt, dass alles andere vor Neid drunter zusammenschmilzt, wie sich auflösender Schnee von gestern.